Skiexpedition Pit
06.-15.06.2019, das Datum, an dem mein lang gehegter Traum in Erfüllung ging. Der Traum - die Besteigung eines hohen Berges mit Ski. In meinem Fall war es der Elbrus im Kaukasus, mit seinen 5642m Höhe. Er gilt als der höchste Berg Europas und zählt zu den „Seven Summits“. Mein Freund Thomas, ein super Höhenbergsteiger, plante seit längerem die Hänge der noch recht ursprünglichen Nordseite des Elbrus mit Ski abzufahren. Eine Idee, zwei Träume, was will man mehr?!? Gesagt – getan und sofort mit dem Training begonnen, denn im Juni 2019 sollte die Skiexpedition stattfinden.
Unser Ziel war es, den Elbrus nicht wie üblich von Süden, sondern von der abgeschiedenen Nordseite zu besteigen. Die anspruchsvolle Route wird (noch) selten begangen, obwohl im Norden unglaublich schöne Skitourenhänge zu finden sind.
Letztendlich waren wir zu dritt, Thomas, Gerhard und ich, als wir am 06. Juni 2019 in München ins Flugzeug stiegen um nach Mineralnye Vody zu fliegen. Am Gepäckband ein großer Schreck - unsere Ski waren wahrscheinlich in Moskau hängen geblieben. Sollte hier schon unser Traum von traumhaften Nordhängen und einem Gipfelerlebnis enden?
Nach vielen Gesprächen bestand die Aussicht, dass die Ski ins Base Camp nachgeliefert werden könnten. Mit der Hoffnung, dass die Ski dann auch wirklich nachkommen, starteten wir die abenteuerliche Fahrt mit dem 4WD Jeep zum Base Camp „Glade Emanuel“ auf 2600m.
Mitten in der ersten Nacht erwachten wir von den Motorengeräuschen unseres Fahrers, welcher tatsächlich mit unseren Ski und der restlichen Ausrüstung eintraf. Unseren Zeitplan konnten wir also doch einhalten.
An den nächsten beiden Tagen brachten wir unsere gesamte Ausrüstung ins High Camp auf 3745m. Das Camp war für die nächsten Tage unser Ausgangs- und Übernachtungspunkt. Also kamen im Base Camp die Ski inklusive Skischuhe, Seil, Gletscherausrüstung und sämtliche andere Utensilien an bzw. in den Rucksack. Im High Camp angekommen konnten wir erstmals unsere gesamte Aufstiegsroute einsehen – einfach nur Wahnsinn. Die Gletscher starten unmittelbar am High Camp und ziehen sich hinauf bis zum Gipfel. Ich war sprachlos…
Nachdem die Ausrüstung im High Camp war, konnten wir uns bei traumhaftem Wetter nicht mehr bremsen und nach dem Mittagessen mussten wir direkt los, um die Bedingungen zu testen. Auf knapp über 4000m zogen wir die Felle ab und genossen eine perfekte Abfahrt im Firn.
Tag 5 unserer Skiexpedition: Wir starteten im Licht der Stirnlampen und stiegen langsam über den noch sehr harten Gletscher auf. Konzentration war gefordert, denn selbst mit Harscheisen musste man vorsichtig sein. Langsam kamen die Sonnenstrahlen zum Vorschein, das warme Licht gab uns allen einen großen Motivationsschub. So kamen wir wie im Nu an unserem Zwischenziel, den Lenz-Rocks auf ca. 4600m, an. Die Luft war sehr dünn und der Aufstieg mit Ski ziemlich anstrengend. Um 9:00 Uhr erreichten wir dann die 5000er Marke, welche an diesem Tag unser Ziel war. Die Abfahrt war purer Genuss. Ein Traum, so etwas erleben zu dürfen.
Unser sechster Tag war als Ruhetag vor dem „Gipfelsturm“ geplant. Wir konnten zum ersten Mal ausschlafen. Da das Wetter hervorragend war, beschlossen wir ganz gemütlich nochmals zu den Lenz-Rocks aufzusteigen. Bei der Abfahrt genossen wir jeden Sonnenstrahl und die nahezu perfekten Schneebedingungen.
Bereits an diesem Nachmittag begannen wir mit der Vorbereitung für den nächsten, entscheidenden Tag – den Aufstieg zum Gipfel!
Das bedeutete auch um 20 Uhr: Ab ins Bett, um noch etwas Schlaf zu finden.
Um 23:30 Uhr ging es dann los. Vor uns lagen 1900 hm, was in den Alpen schon eine recht ordentliche Tour ist. Wenn man bereits auf einer Höhe von 3750 m startet, ist es gefühlt noch viel mehr. Die Nacht war bitterkalt und die Rucksäcke um einiges schwerer als die Tage zuvor.
Nach 400 hm kamen wir selbst mit den Harscheisen unter den Ski nicht mehr weiter. Die Schnee-/Eisbedingungen waren viel zu hart. Es wäre viel zu gefährlich gewesen, so weiter zu gehen. Unsere einzige Möglichkeit: Von den Ski auf Steigeisen zu wechseln. Das ist bei solchen Verhältnissen gar nicht so einfach. Vorsichtig versuchten wir die Ausrüstung zu wechseln, ohne dass Teile der Ausrüstung oder wir selbst den steilen Hang in die Dunkelheit rutschten. An den Lenz-Rocks zeigte sich der erste helle Streifen des Sonnenaufgangs und wir wechselten wieder zurück auf die Ski.
Um exakt 6:00 Uhr und somit 6 ½ Stunden nach unserem Start, kamen wir am Elbrus-Sattel auf 5350m Höhe an. Die dünne Luft zollte ihren Tribut und somit war hier eine Pause mit warmem Tee angesagt. Wieder wechselten wir zu Steigeisen.
Ski und Rucksäcke konnten hier deponiert werden, nur der warme Tee und Riegel kamen noch rasch in die Jackentasche. Die letzten 300 anstrengenden Höhenmeter standen vor uns und diese hatten es in sich. Gerhard und ich kamen nur sehr langsam voran. Zum ersten Mal sahen wir an diesem Tag auch andere Gruppen, denn hier treffen Nord- und Süd-Routen aufeinander. Gerhard und ich mussten einige Pausen einlegen, Thomas machte die Höhe scheinbar nichts aus. Um 08:20 Uhr standen wir dann wirklich auf dem Gipfel des Elbrus auf 5642m Höhe.
Wir alle waren jetzt schon überglücklich, auch wenn der Abstieg noch vor uns lag. Da wir aber mit den Ski den größten Teil abfahren konnten, sollte dies zu einem traumhaften und unvergesslichen Tourenende werden. Doch zunächst genossen wir die unglaubliche Aussicht auf den Kaukasus bis weit nach Georgien hinein.
Beim Abstieg vom Gipfelgrat zogen plötzlich pechschwarze Wolken von Norden her. Thomas drängte uns zügig zum Skidepot zu kommen, da das Gewitter am Elbrus die Hauptgefahr darstellt und schon einige Bergsteiger in eine Tragödie gestürzt hatte.
Wir beeilten uns, bald schon lag der ganze Gipfel in Wolken. Ausgerechnet zogen diese von Norden her, von der Seite, in welche wir abfahren wollten. Wir hofften, dass uns eine Abfahrt mit GPS-Gerät erspart blieben würde. Solch eine Abfahrt kann ziemlich gefährlich sein. Doch jemand hatte es wohl gut mit uns gemeint: Die Wolken lichteten sich nach einiger Zeit und somit stand dem großartigen Skivergnügen nichts mehr im Weg.
Eigentlich ging es jetzt nur noch darum, unser High Camp Lager abzubrechen und in den folgenden beiden Tagen wieder unsere gesamte Ausrüstung ins Base Camp zu bringen.
Thomas träumte noch immer von seinem Gleitschirmflug vom Elbrus, weshalb er mitten in der Nacht zum East Summit loszog. Am Morgen konnten wir ihn mit dem Gleitschirm am Himmel entdecken. Das ganze High Camp staunte nicht schlecht. Da die Bedingungen so gut waren, entschloss er sich, bis ins Base Camp zu fliegen. Wir starteten nun auch zu Fuß mit unseren dicken Rucksäcken ins Base Camp und beendeten so eine rundum gelungene Skiexpedition.